Heute ist mir das genaue Gegenteil der oben beschriebenen Begegnung passiert. Ich bin mal wieder in Berlin – das erste Mal seit fast einem Jahr und zur Abwechslung rein privat. Falls ihr euch wundert, warum ich schon so lange keine ausführlichen Erlebnisberichte geschrieben habe, liegt das unter anderem auch daran. Und an einer gewissen Kombination aus allgemeiner Überlastung und zeitweiser Schreibfaulheit im Lauf des Jahres. Aber das erzähle ich ein andermal, wenn ich hoffentlich in absehbarer Zeit endlich dazu komme, alles in Reinform aufzuschreiben und zu posten.
Also, wie gesagt: ich bin endlich mal wieder für drei Nächte in Berlin und habe natürlich vor, der Reihe nach meine kulinarischen Favoriten abzuklappern. Selbstverständlich in Heels. Genau gesagt: in Overknees. Etwas anderes habe ich nämlich gar nicht dabei, davon aber gleich vier Paar (davon eines bei der Anreise an den Füßen, drei im Koffer). Los ging es heute Abend mit dem Weyers, wohin ich mit schwarzen Plateau-Blockabsatz-Overknees von Onlymaker schritt – fast die gleichen wie die von meinem unsäglichen Erlebnis aus dem Eröffnungs-Post, nur ohne die durchgehende rückseitige Schnürung. Dazu ein schwarzer Kurzmantel, also insgesamt sicher nicht ganz unschick.
Der Hinweg war recht ereignislos, bis auf eine Handvoll der üblichen Blicke. Wieviel Beachtung meine Schuhe im Restaurant selbst auf sich gezogen haben kann ich nicht sagen. Es war jedenfalls ziemlich voll und ich saß ganz hinten, durfte also zweimal durch den ganzen Laden stöckeln.
Wovon ich aber eigentlich berichten möchte ist eine Begebenheit auf dem Rückweg. Es hatte zuvor recht kräftig geregnet und es lag stellenweise viel nasses Laub auf den Gehwegen. Nach ein paar hundert Metern in der Uhlandstraße hörte ich hinter mir eine weibliche Stimme: „Passen sie gut auf, dass sie mit den Schuhen nicht ausrutschen!“ Ich drehte mich um und erblickte eine Dame etwa Mitte 30, die wohl hinter mir hergelaufen war und jetzt einen Laden betreten wollte, den ich gerade passierte. Sie meinte sogleich: „Das sieht richtig geil aus! Sieht man so selten, aber ich find das echt cool!“ Erstmals in meiner Stöckel-Karriere blieb es aber nicht bei den Komplimenten, sondern es entwickelte sich ein fast zehnminütiges Gespräch. Die Frage nach dem „warum“ kam gar nicht, eher Sachen wie: „Und wie fühlt sich das für Dich an, solche Schuhe zu tragen? Ganz normal, oder?“ Sie interessierte sich dafür, ob ich auch Röcke oder Kleider trage oder nur die Schuhe, wie ich dazu gekommen bin, ob ich liiert bin und wie Partnerin oder Partner (ja, in dieser Reihenfolge!) das finden, und so weiter – aber einfach nur neugierig und ohne jegliche Wertung. Vor allem aber ging es um das Thema gesellschaftliche Akzeptanz, Schubladen-Denken, Toleranz, Freiheit und so weiter und so fort. Dabei lag ihr Redeanteil sicher bei 80 Prozent und deckte sich ziemlich genau mit der Einstellung, die hier unter uns vorherrscht. Und immer wieder angereichert mit Komplimenten, Respektbekundungen und Ermutigungen. Einen krasseren Gegensatz zu meinem kürzlichen Erlebnis konnte es kaum geben.
Das ist dann doch mal ein sehr schönes Erlebnis. Dies könnte durchaus des öfteren so ausfallen. Besser dies sollte so die ganz allgemeine Akzeptanz sein, auch völlig ohne Gespräch.
„Mutter ist der Name für Gott, auf den Lippen und in den Herzen aller Kinder dieser Welt.“ (The Crow)
Das erstgeschilderte Erlebnis ist wirklich scheiße. Solche Zeitgenossen, die sich überhaupt nicht weiterentwickeln wollen und ihren Standpunkt als einzige Wahrheit ansehen und noch dazu eine Neigung zu Gewalt haben, das braucht die Welt nicht!!!!
Die Stiefel sind MEGA!!!!
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß Frauen das ganze eher positiv sehen... Vielleicht weil sie den Kampf um die Hose schon hinter sich haben inkl. Sieg!!!
Zitat von LittleAngelWings im Beitrag #18Besser dies sollte so die ganz allgemeine Akzeptanz sein, auch völlig ohne Gespräch
Hmmm, vielleicht ist es schon so? Es ist nicht Verboten, man wird anscheinend auch im Büro nicht diskiminiert und mal ganz ehrlich, wie oft sprecht ihr auf der Strasse komplimente aus?
Da hast du recht, die meisten von uns dürften es wohl selten bis nie machen. Ich muss allerdings sagen, meine Einstellung ist hier auch eine andere geworden seit ich ab und an ein Kompliment bekomme. Soll heissen ich mache es gelegentlich. Ist aber immer eine Überwindung wenn man so will. Vor allem sind die meisten "Empfängerinnen" (zwangsläufig) einige Jahre jünger als ich. Das macht die Situation nicht einfacher (im Kopf).
Es ist wirklich komisch, wenn ich mal meine "Hemmschwelle" überwinde und jemandem ein Kompliment mache, wird es nicht nur freudig aufgenommen (nach dem kurzen Schreck weil die Person nicht damit rechnet) sondern hat auch einen Langzeiteffekt. Wenn man die Person wieder trifft ist es dann immer eine Begegnung mit mindestens einem Lächeln - denn irgendwie kennt mann sich dann. Ich denke es wäre egal ob mir / uns das gefällt was jemand macht um sich selbst zu gefallen, man sollte trotzdem ein Kompliment allein schon dafür aussprechen, das er /sie es macht - den Mut hat besonders zu sein. Ich habe es immer wieder erlebt, wie Leute regelrecht gestrahlt haben, wenn ich sie auf ihr Tattoo, die auffällige Frisur, oder was auch immer angesprochen habe. Ich glaube, jeder Mensch wünscht sich die Bestätigung wie wir hier im Forum auch. Und trotz diesen positiven Erlebnissen muss ich zugeben - ich könnte und sollte es viel öfter tun ... die Hemmschwelle überwinden.
Nur bei Leuten, die ich gar nicht kenne, das wird nicht einfach. Einige würden wohl denken, was soll das? Wir Menschen laufen auch gerne in der Anonymität herum.
Vor kurzem in der Bäckerei ist mir bei einer Verkäuferin ein Tattoo am Unterarm aufgefallen. Als ich sie darauf ansprach, ob neu, strahlte sie wie die Sonne. Und jetzt kenne ich die ganze Geschichte davon. Genau so wie du beschrieben hast. Aber die Dame kenn ich schon seit Jahrzehnten.
Würde ich so eine wildfremde Person ansprechen, ....? Ist aber vielleicht einen Versuch wert.
Jepp,da stimme ich euch zu👍. So ein kleines Kompliment hat manchmal große Wirkung. Mir kommt vor,dass gerade durch die Social Medias sich eine gewisse Anonymität gegenüber anderen "realen" Mitmenschen entwickelt hat. Wenn dann ein Kompliment,Gespräch oder Interesse gegenüber "fremden Menschen " rüberkommt, wirds wieder menschlich, was in den letzten Jahren nicht zuletzt durch den og Grund ein gewisser Egoismus entstanden. Zumindest empfinde ich das so
Komplimente an wildfremde Menschen sind schon immer ein bisschen kniffelig. Meist werden sie wohl positiv aufgenommen, aber je nach Situation und Stimmungslage kann es auch mal völlig falsch rüberkommen und im Extremfall sogar aufdringlich wirken. Wenn ich aber das Gefühl habe, dass es passen und willkommen sein dürfte, dann immer wieder gerne.
Auf jeden Fall aber bin ich ein großer Freund davon, anderen Leuten verbal den Tag zu versüßen. Ich bedanke mich konsequent und herzlich für so ziemlich jede Dienstleistung, die mir gegenüber ordentlich erbracht wurde, und wenn etwas richtig gut gelungen ist, dann spare ich erst recht nicht mit Lob. Daran, wie überrascht manch eine:r schon auf ein einfaches „Dankeschön“ reagiert, kann an gut erkennen, wie selten das wohl geworden ist. Eigentlich schade, denn man kann mit so wenig so viel bewirken.
Kürzlich hatte ich beispielsweise an den Hersteller unseres Durchlauferhitzers für die Küchenspüle eine Supportanfrage geschickt und musste nach der Antwort erkennen, dass ich einen blutigen Anfängerfehler begangen hatte. War mir hochgradig peinlich – mir, dem so technik-affinen Menschen, dem so erfahrenen, analytischen und versierten Troubleshooter, dessen häufigster Satz wohl sein dürfte: „Hast Du es schon aus- und wieder eingeschaltet?“ Das hatte ich in leicht flapsigem Tonfall genau so an den Support zurückgemeldet und bekam daraufhin das als Antwort: „Hallo Herr X, vielen Dank für die nette Antwort. Es freut, dass ich weiterhelfen konnte, Ihre Mail hat meinen Tag deutlich verbessert.“ Es kann sooo einfach sein…
Zitat von Luxdust im Beitrag #26Würde ich so eine wildfremde Person ansprechen, ....?
Ich denke es kommt nicht darauf an ob man die Person kennt oder nicht. Entscheidend ist in meinen Augen die Situation, die muß natürlich passen damit man die Frau oder den Mann nicht überrumpelt oder ungewollt brüskiert. Kleiner Beweis dafür, ein Erlebnis vor ein paar Jahren, das ich wohl nie vergesse. Ich hastete über den Münchner Bahnhof zum Gleis nach Salzburg als mich eine junge Frau (+-25) noch schnelleren Schrittes überholt. Im vorbeigehen rumpelte sie mich leicht an, fuhr mit ihren Fingern schnell an ihrem rechten Ohr von oben nach unten, drehte sich einen Bruchteil einer Sekunde zu mir um und zeitgte Daumen hoch - und war schon wieder im Getümmel verschwunden. Wildfremder geht's nicht, und von den paar wenigen Komplimenten, die ich für meine (relativ vielen) Ohrringe in den letzten 40 Jahren bekommen habe, war das das coolste ever, die Situation läuft immer noch wie ein Film ab wenn ich daran denke. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie wertvoll diese kleine Geste für mich war und heute noch ist ...
Und die Moral von der Geschicht ... verpass den richtgen Zeitpunkt nicht. :-)
Letzten Sonntag hatte ich einen Auftritt mit der Daimler BigBand. Im Publikum war eine sehr stylisch gekleidete junge Dame und nach dem Konzert musste ich ihr ein Kompliment machen. Das hat sie natürlich sehr gefreut und wir haben noch mindestens 10 Minuten über dies und das geredet.
Das ist ein schwieriges Gebiet. Heutzutage weiß man nicht, ob eine Frau das gleich als sexuelle Belästigung hält, wenn man(n) sie ungefragt anspricht. Andere sind hingegen froh, wenn sie mal ein Kompliment für ihr Outfit kriegen, für das sie sich viel Mühe gemacht haben. Andersrum trauen sich andere Menschen auch nicht, uns anzusprechen. Aber es gibt da auch Frauen, die einfach was sagen müssen und einfach sagen, was sie denken.
Hört bitte auf, von mir zu erwarten, daß ich normal werde ! Wir wissen doch alle, daß das niemals geschehen wird !
Das ist für mich schwierig eine fremde Person auf ihr Outfit anzusprechen bzw. Ihr ein Kompliment zu machen. Andereseits wenn ich ein Kompliment bekomme, dann haben sich immer nette Gespräche daraus entwickelt. Aber in der heutigen Welt, rennen die Leute alle mit Scheuklappen durch die Gegend, und die Nettigkeiten bleiben auf der Strecke. Wenn ich in einen Laden gehe oder an der Kasse dran bin, dann wird sich begrüßt, und wenn mir geholfen wird dann gibt es ein Danke. Aber das ist leider nicht die Regel, und da weiss man auch nicht wie die Leute auf ein Kompliment reagieren.
Und grade wegen dieser zunehmenden Abstumpfung der (jungen) Gesellschaft ist es umso wichtiger, dass wir alle ein gutes Beispiel sind und zeigen wie Aufmerksamkeit, Freundlichkeit und Höflichkeit funktionieren und eine Bereicherung für alle sind!
Lieber mal stolpern als auf einen Zentimeter zu verzichten...
Zitat von thommy06 im Beitrag #32Das ist ein schwieriges Gebiet. Heutzutage weiß man nicht, ob eine Frau das gleich als sexuelle Belästigung hält, wenn man(n) sie ungefragt anspricht. Andere sind hingegen froh, wenn sie mal ein Kompliment für ihr Outfit kriegen, für das sie sich viel Mühe gemacht haben. Andersrum trauen sich andere Menschen auch nicht, uns anzusprechen. Aber es gibt da auch Frauen, die einfach was sagen müssen und einfach sagen, was sie denken.
Diese Erfahrung habe ich auch schon mehrmals gemacht. Aber ich glaube auch, daß es schon sehr darauf ankommt, wie Mann das Gespräch einleitet. Ein Spruch wie "Des schaut aber echt geil aus!" ist das sicher falsch.
Und einer fremden Frau auf der Straße mache ich heutzutage kein Kompliment mehr, daß ist mir persönlich "zu gefährlich" um als sexuelle Belästigung ausgelegt zu werden. Da hat Mann wahrscheinlich auch schlechte Karten im Fall einer Anzeige. Bei normalen Gesprächen kann man dann schon mal ein Kompliment einfügen und das wird /wurde auch immer positv aufgenommen. Teilweise lockert sich das Gespräch dann nochmals bzw. ergeben sich dadurch auch andere Themen.
Jetzt muss ich aufhören, aber da gäbe es noch viel zu sagen!
Das "falsch verstehen" oder als blöde Anmache etc. Auslegen ist auch meine grosse Sorge. Auf der anderen Seite habe ich das Glück, dass man hier auf der Strasse noch grüsst bzw. ein Gruss erwidert wird. Das senkt die Hemmschwelle bei mir durchaus