Für die , die sich mit solchen Höhen nicht an die Arbeitsstelle oder Öffentlichkeit trauen: Ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, wenn es nicht nur eine 9-wöchige Qualifizierungsmaßnahme gewesen wäre. Auswirkungen beobachte ich schon. Von einer gewissen Reserviertheit des Ausbildungsleiters über Gesicht-Schuh-Gesicht-Reflexen zu einer eisigen Mauer, die in mir (ziemlich ungewohnt) eine Du-mich-auch-Haltung hervorruft. Ersteres und Letzteres können zwar auch an der dicken Luft liegen, die gerade zwischen den Dozenten herrscht, aber wer weiß...
Zu Hause war ich heute das zweite Mal hochhackig einkaufen. Hier lässt sich das Rad definitiv nicht zurückdrehen. Was auch was hat
Das Rad läßt sich nie zurückdrehen... bist Du einmal mitten drin, dann gibt es kein Zurück mehr.... wie in allen Bereichen des Lebens. Die Mauer vergeht meist mit der Selbstverständlichkeit....
Mann, Mann, was so ein Rosenmontag alles in Gang setzen kann....
Im Edeka hochhackig mein geliebtes Liebharts dunkel einzukaufen, ist beim dritten Mal schon Routine gewesen. Beim letzten Mal wurden mir zwei Extrarunden geschenkt, weil ich wegen des defekten Pfandflaschenautomaten die Verkäuferin suchen durfte *freu*. Eine weitere Steigerung war mein erster Einkauf im Bioladen. (Es ist ein eigenartiges Spannungsverhältnis zwischen der Hemmung, mich in Highheels Menschen zu zeigen und dem Grad der Vertrautheit, der uns verbindet. Zunächst möchte man ja meinen, gegenüber Freunden und guten Bekannten sei das einfacher... Da gibts bei mir ein eindeutiges "Jein". Zwar waren es meine besten Freunde, denen ich vor Jahren meine Leidenschaft zuerst anvertraute. Doch jetzt dreht sich das irgendwie um. Edeka fiel leichter als Bioladen, Bioladen leichter als die Leute im Haus.)
Der Bioladen ging total glatt. Personal und Kunden keinerlei (erwähnenwerte) Reaktion - bis auf die Inhaberin. Eine tendenziell strenge Person die auch schon mal bissig werden kann. Das Brot bekam ich ohne besonderen Kommentar, doch als ich an der Kasse stand ging sie an uns vorbei und verabschiedete sich durch Zuruf direkt an mich: "Einen schönen Abend, Herr J. ...!" Klang weder spitz oder sonst komisch, sondern freundlich...
Diese ungezwungene Bewegung außerhalb des Hauses wirkt auch nach innen: im Moment macht es mir mehr Spaß, außerhalb meiner Wohnung zu stöckeln. Das hatte zur Folge, dass ich im Haus ein Verhalten entwickelte, was Juristen mit bedingtem Vorsatz beschreiben: Ich bewegte mich in mehreren Situationen auf hohen Hacken durchs Haus, in denen Begegnungen mit anderen Mitbewohnern wahrscheinlich waren. Mit anderen Worten: ich legte es darauf an. Die andere Miterin weiß es auf diese Art. Als ich den Eindruck hatte, sie sei in den Waschkeller gegangen, brachte ich mit etwas Verzögerung ebenfalls meine Wäsche nach unten - und wenn man nicht F. Kafka heißt, begegnet man sich natürlich. Trotzdem brachte ich es nicht über mich, in den Hausflur zu stöckeln, wenn ich meinen Freund und die Kinder dort hörte. Hier halfen dann die Summe der Gelegenheiten multipliziert mit Wahrscheinlichkeit. Ich kam vom Einkaufen zurück und die Frau meines Freundes saß oben im Fenster und rauchte. Sie sah meine Schuhe, fragte, ob sie sich Sorgen machen müsse, ich sagte in ein paar Sätzen oher ich gerade käme und wieso ich in diesen Schuhen liefe. Nach einer eindeutigen Geste rief sie - allerdings in freundlichem Ton - die Kinder "Guckt mal, was Ralf für Schuhe anhat!". Die schütteten sich erst einmal vor Lachen aus und fragten dann nach. Somit weiß es nun das ganze Haus. Morgen bin ich bei ihnen zum Frühstück eingeladen, mal sehen, ob mich die Kork-Mules tragen dürfen (meine Cocos sind für 8 Uhr leider zu laut).
Außerdem weihte ich letzte Woche einen weiteren guten Freund ein und eine Freundin, die ich erst kurz kenne, mit der sich aber ein sehr intensiver Gedankenaustausch entwickelt.Ihre Reaktion kann ich nicht so richtig einschätzen, er hatte überhaupt kein Problem damit.
Alles in allem: ein ziemliches Tempo um nicht zu sagen Eigendynamik. Da stehe ich selber staunend daneben...
Seit drei Jahren bin ich wieder Single. Die damalige Beziehung wäre aber fast daran gescheitert, als ich meiner Partnerin von den hohen Schuhen erzählt hatte. Wobei unklar ist, welchen Anteil das an dem späteren Scheitern hatte. Ist auch egal, Schnee von vorgestern.
Heute morgen bin ich in meinen flachen Fellhausstiefeln zum Frühstück. Alles wie üblich, keine Nachfrage zum Schuh-Thema. Dann ging mein Freund mit den Kindern zum Schwimmen und ich blieb noch auf einen Kaffee und Klön mit seiner Frau sitzen. Erst über die Qualifizierungen unterhalten, in denen wir jeweils sind, dann kam das Thema auf "Nische fürs Alter finden" und ich erweiterte das zu "dabei einfach das machen, was mir Freude bringt". Damit hatte ich dann den Aufhänger herausgearbeitet und brachte meine Schuhe ins Gespräch. Das sei schon etwas verrückt, aber was solls und ich wollte nicht später bereuen müssen, etwas nicht ausprobiert zu haben. Ihre Reaktion: Lachen, Nachfrage, auf wieviel cm ich denn unterwegs sei und im Übrigen volle Zustimmung, einfach easy und locker. Heute mittag hüte ich ein, dass die beiden zum Tanzen können, danach gibts einen Kaffe mit Kuchen, schaun wer mal...
Zum Kaffeetrinken habe ich doch noch zu große Hemmungen gehabt. Aber es gab ja noch das Abendessen . Bis dahin las ich hier noch etwas von den Barrieren im eigenen Kopf - ja, dachte ich, genauso ist es, es sind meine Gedanken, die ich mir mache - was von der Familie oben kommen würde, weiß ich nicht. Damit war die Weichenstellung geschafft. Eine halbe Stunde vor der vereinbarten Uhrzeit rüstete ich auf die Cocos um und war dann pünktlich oben. Dort war es mein Freund, der Bedenken wegen der spitzen Absätze und des Holzfußbodens hatte. Nun gut, ich habe ja einige Ausweichmöglichkeiten. Ich brachte die Schuhe also nach unten und kam mit den Kork-Mules von Zoccoli wieder. Die beiden Erwachsenen waren noch beschäftigt, so ging ich zum Esstisch, wo mich erst die 10-jährige Tochter ausfragte. Wieviel Paar Schuhe ich denn hätte, weshalb ich sie trüge... Ich kam wieder auf das Gefühl zu sprechen, wenn ich in hohen Schuhe liefe, und das kannte sie auch schon, was sie ebenfalls sehr mochte. Na siehst Du, meinte, ich, und manche Männer mögen das eben auch sehr gern. Sie erzählte noch von den ganz hohen Schuhen ihrer leiblichen Mutter und ich von meinen wunderschönen Stiefeletten, die mir leider zu hoch seien. Dann setzten wir uns an den Tisch. Die Frau meines Freundes holte noch zwei töpfe aus der Küche und ahmte dabei den Stöckelgang nach. Leider fehlte mir die richtige Anknüpfung, so dass das Tischgespräch schnell in eine andere Richtung lief. Insgesamt empfand ich die Atmosphäre als befangen. Das ging mir schon auf dem Gang die Treppe hoch, merkte es im Gespräch mit der Tochter (bei mir, nicht bei ihr) und bei Tisch. War es nur meine Befangenheit oder der stressige Sonntag, den die Familie hinter sich hatte. Weiß der Geier... (Mein früherer Kommilitone Andreas Geier dazu: Nee, weiß der auch nicht) Die Frau des Hauses verabschiedete sich zum Tatort, ich unterhielt mich noch etwas mit meinem Freund und deckte dann mit ihm den Tisch ab. Er fragte dabei staunend nach, wie ich auf den Schuhen stehen bzw laufen könne, Standardantwort. Danach bedankte ich mich bei den beiden für das Abendessen, das war schon eigentlich wieder ganz normal.
Vom Ablauf also nicht ganz so locker, aber trotzdem einen großen Schritt weiter!
GLÜCKWUNSCH! Das läuft ja bei Dir wie geschnitten Brot. Klasse!
Warum die Stimmung nicht so locker war - schwierig das aus der Entfernung und nur mit Deinen Angaben zu beurteilen. Vielleicht hast Du es in deren Augen wirklich ein wenig übertrieben. Sie auf dem falschen Fuß erwischt... was auch immer!
Verzichte beim nächsten Besuch einfach mal auf die hohen Hacken, "beweise" ihnen, dass du es auch noch ohne kannst und lasst das auch bei denen erst einmal ein wenig sacken. Wird schon!
In flachen Schuhen kennen mich die beiden ja bisher nur und bei unseren fast täglichen Begegnungen brauchen sie da wohl keinen Nachhilfeunterricht. Außerdem bin ich ja nicht ständig hochhackig unterwegs. Aber trotzdem, "sacken-lassen" bzw. überhaupt ihnen Zeit geben, den Anblick aus nächster Nähe zu verdauen ist auch mein Gedanke. Für ich war es ja auch eine Hemmschwelle, ihnen hochhackig direkt zu begegnen - obwohl beide schon von den Schuhen wussten. Auf jeden Fall fühlt es sich weiter gut an, diese Hürde genommen zu haben: wieder etwas weniger, was ich verbergen muss.
Also ich halt von "sacken lassen" und damit zurück auf "wie immer" nicht so viel. Bin eher, aus eigener Erfahrung mit lackierten Nägeln (welche ja durchaus auch nicht gewöhnlich bei Männern sind), der Meinung wenn einmal "geoutet", dann dranbleiben und keinen Schritt zurück mehr. Dauerhaft an den Anblick gewöhnen, weil dann ist es umso schneller normal -> Das ist halt der XZY, der trägt das halt, ist aber sonst ganz normal. Wenn du dagegen zwischendurch wieder flach auftrittst, kann das in meinem Augen dazu führen, das dies doch nur "Fake", Laune, Provokation oder sonst was war. Gerade am Anfang, sich bei wem auch immer zu "outen", würde ich daher konsequent damit weitermachen, um eindeutig klarzumachen: Das ist mein neues ICH. Auf anders (wieder flach) kannst du dann viel später immer noch wieder machen, obwohl dich dann manche fragen würden, ob alles OK mit dir ist. Ist meine Meinung dazu .
Seh ich nicht so, das Tragen hoher Absätze ist für mich gewissermaßen eine persönliche Entscheidung, die man meinetwegen auch jeden Tag anders treffen kann. Frauen tragen ja auch nicht nur Absätze, zumindest die meisten, manchmal ist einem halt auch einfach nicht danach oder die Füße wollen nicht. Sich dazu zu zwingen, nur noch Absätze zu tragen, halte ich für ungesund, hat auch was von "den anderen auf die Nase drücken". Mach einfach, wie du dich gerade wohl fühlst, damit fährt man meist nicht falsch. Ist ja fast schon wie verkehrte Welt, erst heißt es "Ich kann doch nicht mit Absätzen vor die Tür gehen, was sollen die anderen denken?" und dann auf einmal "Ich kann doch nicht ohne Absätze vor die Tür gehen, was sollen die anderen denken?"? Find ich jetzt ein wenig komisch, wollen wir nicht eigentlich von dieser Denkweise wegkommen?
Zitat von Stinkstiefel Ist ja fast schon wie verkehrte Welt, erst heißt es "Ich kann doch nicht mit Absätzen vor die Tür gehen, was sollen die anderen denken?" und dann auf einmal "Ich kann doch nicht ohne Absätze vor die Tür gehen, was sollen die anderen denken?"? Find ich jetzt ein wenig komisch, wollen wir nicht eigentlich von dieser Denkweise wegkommen?
Wenn wir meinen, die Erwartungen anderer Menschen erfüllen zu müssen, leben wir nicht selbst, sondern werden gelebt. Erst wenn wir uns von dieser Denkweise gelöst haben, entscheiden wir wirklich selbst, was wir für Schuhe und Kleidung tragen.
Oft ist es ein Kompromiss zwischen unseren eigenen Vorstellungen und dem, was in der konkreten Situation passend und angemessen ist. Im günstigsten Fall stimmt das mit unseren Wünschen überein, im ungünstigsten Fall ist es gegensätzlich.
Wenn uns schon andere Menschen unter Druck setzen (wie auch immer), sollten wir wenigstens versuchen, uns nicht selbst unter Druck zu setzen ("ich muss High Heels tragen, weil das zu meinem Image gehört"). Das ist nicht immer leicht.
Seh ich auch so. Wenn ich Lust habe, flache Schuhe zu tragen, dann trage ich eben flache Schuhe. Auch wenn ich die Erwartung anderer enttäusche. Wenn ich Lust auf High Heels habe, zieh ich welche an, wenn ich Lust auf Sneaker habe, dann ziehe ich eben Sneaker an, egal was die anderen sagen. und ob die aus der Damen- oder Herren-Abteilung sind, ist auch egal, da wo es die schöneren gab.
Hört bitte auf, von mir zu erwarten, daß ich normal werde ! Wir wissen doch alle, daß das niemals geschehen wird !
Zitat von highheeloppaWenn wir meinen, die Erwartungen anderer Menschen erfüllen zu müssen, leben wir nicht selbst, sondern werden gelebt. Erst wenn wir uns von dieser Denkweise gelöst haben, entscheiden wir wirklich selbst, was wir für Schuhe und Kleidung tragen.
Oft ist es ein Kompromiss zwischen unseren eigenen Vorstellungen und dem, was in der konkreten Situation passend und angemessen ist. Im günstigsten Fall stimmt das mit unseren Wünschen überein, im ungünstigsten Fall ist es gegensätzlich.
Wenn uns schon andere Menschen unter Druck setzen (wie auch immer), sollten wir wenigstens versuchen, uns nicht selbst unter Druck zu setzen ("ich muss High Heels tragen, weil das zu meinem Image gehört"). Das ist nicht immer leicht.
Schön auf den Punkt ähh auf drei Sätze gebracht!
So ist mein Wunsch zu stöckeln in erster Linie maßgebend, was ich in der letzten Woche fast täglich umgesetzt habe.
Im Hinblick auf die beiden bin ich erst mal erleichtert, dass meine Hemmschwelle, ihnen hochhackig zu begegnen, gesunken ist. Da sie zu meinen besten Freunden gehören wäre es allerdings sehr schmerzhaft (gewesen, ich glaube nicht wirklich daran), wenn er oder sie es übehaupt nicht annehmen können und unser Verhältnis sich dadurch verschlechterte / verschlechtern würde.
Und meinen Spaziergang gleich mache ich in Wanderschuhe, weil es mir und meinen Gelenken guttut.
Mal wieder was von mir. Es war einiges los, allerdings nicht nur schuhmäßig und irgendwie kriegte ich die Kurve nicht mich an die Tastatur zu setzen.
Am 25.03. - ja, ich weiß, schon fast was fürs Archiv - habe ich mich mit StilAuge in Hamburg getroffen. Paternoster standen auf unserem Programm, außerdem ein Besuch des Schuhladens Mercedeh. Nach einem Besuch der Homepage hatte ich zwar keine Kaufambitionen (die interessanten Modelle fingen so ab 500 € an...), aber schöne Schuhe angucken ist ja auch was. Es begann wieder wie bei meinem letzten Besuch in Hamburg damit, dass ich unseren Treffpunkt McDonalds nicht fand. Dasselbe Schild wie letztes Mal rettete mich mit dem netten Hinweis, dass ich dazu ins 1. OG müsse. Für den nächsten Ausflug hab ich es jetzt hoffentlich... ( nimmt mir allerdings auch eine Extra-Stöckelrunde durch den Hamburger Hauptbahnhof ). Dort angekommen erst einmal in Ruhe hingesetzt und sich etwas erzählt. StilAuge hatte die Besichtigungen gut mit Kartenmaterial vorbereitet, wir legten unsere Marschroute fest und los gings. Wieder mit dem Phänomen „Wir und das Hamburger Straßenbahnnetz“. Nach ausgiebigem Studium der Linienpläne doch die verkehrte Richtung nehmen, bei der Rückfahrt gleich noch einmal (wobei uns da eine freundliche Hamburgerin rettete, die ich vorsichtshalber doch noch fragte), dann die richtige Haltestelle verpassen, weil wir im Gspräch vertieft waren – wir habe uns richtig Mühe gegeben . Dies Gemenge von Irr- und anderen Fahrten produzierte natürlich jede Menge Umstiege mit Begegnungen anderer Fahrgäste. Zwei ältere Männer fassten sich (unabhängig voneinander) ein Herz und sprachen uns auf die Schuhe an. Ein paar nette Erklärungen und sie verabschiedeten sich freundlich. Aus den beiden TOPs wurde nichts. Der Samstag erwies sich für Behörden- und Bürohäuser als schlechter Besuchstag. Was Mercedeh anging, hatte StilAuge mir zwar Hoffnung gemacht, weil er bei seinem letzten Besuch dort sehr gemäßigte Preise gesehen hatte. Das hatte einen bedauerlichen Grund, wie sich vor Ort herausstellte: Der Laden hat geschlossen, das waren Ausverkaufspreise gewesen. So blieb es bei einem Rundgang im Einkaufszentrum und um zwei Gebäudekomplexe in Sachen Paternoster. Nun dann, zum nächsten Zeil, ein weiter Paternoster in der Nähe der Landungsbrücken. War auch geschlossen – aber die Landungsbrücken waren für mich Landratte schon ein Erlebnis! Da werden wir bei meiner nächsten Reise nach Hamburg dran anknüpfen. Mittlerweile waren wir schon einige Zeit unterwegs und unsere Mägen meldeten sich. Wir kehrten also in ein Cafe ein und ließen uns Kaffee und Kuchen schmecken. Dabei kamen zwei ältere Ehepaare an unseren Tisch. Ein Mann entdeckte sofort meine Schuhe (bei den Babettes von Todzi ja auch durchaus nachvollziehbar... ) und es begann ein munteres Gespräch. Als ich dann noch meine Cocos für einen Schuhwechsel aus dem Rucksack holte, fielen ihm fast die Augen raus. Trotzdem ging das Gespräch unvermindert weiter. Bis ihn seine Frau von seinem Platz wegschickte... vielleicht hatte sie Angst, ich würde ihn mit diesem unheimliche Stöckelvirus infizieren ? Na gut, wir mussten sowieso aufbrechen. Die Fahrt nach Bremen plus Umstieg auch noch auf hohen Hacken, aber dann kamen die Flachschuhe wieder zu Ehren. Leider wählte ich den falschen, d.h. vermeintlich schnelleren Zug nach Osnabrück, der mit einer satten halben Stunde Verspätung losfuhr. Genug, dass ich von meinem Anschlusszug nur die Rücklichter sah... Was tut man um 22 Uhr mit einer Stunde Zeit? Ich gönnte meinem Bewegungsapparat flachhackigen Auslauf durch die Fußgängerzone. Dabei hatte ich ein bemerkenswertes Erlebnis. Die Stimmung dort bzw. die von den flanierenden Grüppchen ausging empfand ich als untergründig krawallig und plötzlich: eine klassische Melodie auf der Geige gespielt. Ein alter Herr im Anzug stand in der fast menschenleeren Fußgängerzone und spielte auf seinem Instrument – das Ganze bei sternenklarem Himmel über uns. 15 Minuten genoss ich die Musik applaudierte und verabschiedete mich mit einer kleinen Verbeugung, die er lächelnd erwiderte. Sehr berührend, hatte schon was Magisches.
Eine Wochende drauf war ich bei Fashion Unlimited in Velen. Insgeheim hatte ich mich entschlossen, für ein Paar gute Stiefeletten von Micelli richtig mal was locker zu machen. Aber der Eindruck auf der Homepage täuschte: sie waren mir einfach zu eng vorne. Irgendwann landete ich bei Delight von Pleaser. Das Modell in Wildlederimitation passte gut. Ich ließ es in Leder bestellen - und habe die Schuhe nach der ersten Anprobe zurückgeschickt, weil die Ledervariante wieder zu eng war. Aber das eigentlich Interessante war die Anfahrt. Gleich von zu Hause in den Cocos los und dreieinhalb Stunden in verschiedenen Straßenbahn, Zügen und Bussen unterwegs. Viele erstaunte Blicke, ein anerkennen des Zunicken einer jungen Frau... Und ein lautes "Was trägst du denn für Schuhe?" von einem Proll. Nachdem wir geklärt hatten, dass seine Schuhe wohl bequemer seien und ich meine nicht wegen der Bequemlichkeit trage wollte ich ihn noch nach der Schulstraße frage. Aber da kannte er seinen eigenen Wohnort nicht mehr. Na ja. Nach dem Schuhladenbesuch bekam mein Magen in einer Pizzeria sein Recht, wieder einige Blicke der Gäste. Der Inhaber guckte auch, aber im Übrigen sehr freundlich und die Pizza war richtig gut. Im Bus die Rückreise angetreten und in Borken 45 Min. Aufenthalt. Da habe ich mit meinem Outfit einen Flüchtling/... wohl ziemlich durcheinander gebracht. Er und eine Farbige mit Kinderwagen umkreisten (voneinander unabhängig) mich mit schöner Regelmäßigkeit. Wir stiegen dann alle in den Zug. Die Frau verlor ich aus den Augen, er ging hin und her, natürlich immer an meinem Platz vorbei mir gar nicht so verstohlenen Blicken auf meine Schuhe. Ich wechselte mein Schuhwerk wegen meiner Fußballen (sieben Stunden in den Cocos waren wohl genug), er blieb trotzdem bei seinem Pendelgang und setzte sich schließlich auf den Platz jenseits des Ganges. Immer mit sehr intensiven Blicken in meine Augen, auf Anrede reagierte er nicht. Sein Interesse musste ich allerdings auch mit einigen jungen Frauen teilen; schien ziemlich drauf zu sein. In Essen endete der Zug. In normalen Schuhen drehte ich in der Stadt eine Runde, im Hbf wechselte ich wieder, aber im Zug nach Hause war dann fußtechnisch das Ende der Fahnenstange erreicht.
Im Übrigen erledige ich meine Einkäufe regelmäßig in den Babettes oder Cocos. Einmal hatte ich die verkehrte Buslinie genommen und landete voll in der Pampa. Der letzte Bus war schon weg, keine normalen Schuhe dabei und einen Rückweg mit ziemlichen Gefälle. Da war mir schon ganz schön mulmig zumute. Zumal die stark befahrene Straße zurück keinen Gehweg hatte. Und das außerhalb geschlossener Ortschaft. Das mulmige Gefühl führte schon zu einer gehörigen Wahrnehmungsverzerrung: StilAuge hatte ich noch geschrieben, es seien 2 km Weg gewesen, habe eben nachgemessen: 700 m, ähhm . Glücklicherweise fand ich eine parallele Nebenstraße, das Gefälle war aber dasselbe bei unebenem Asphalt. Aber ich hab's gut überstanden. Nur den Einkauf, den ich eigentlich vorhatte, mußte ich dann in schnelleren Schuhen nachholen.
Letzten Mittwoch hatte ich mal wieder einen meiner Termine in Bergisch Gladbach. Auch wieder ab zu Hause hochhackig. Im Zug nach Hamm saß in der anderen Sitzreihe Seite ein Kosovo-Albaner. Guckte erst auf meine Schuhe. Später über eine Frage zu seiner Fahrkarte kamen wir ins Gespräch. Er kam aus Nürnberg und hatte arbeitsmäßig hier was zu erledigen. Er fragte zunächst etwas zur räumlichen Groborientierung hier in Ostwestfalen. Dann einige berührende Sätze, welche Schlüsse er für sich aus seinen Kriegserlebnissen gezogen hat. ... In Köln einen Zwischenstopp zum Ladenbummel, ich war deshalb extra eine Stunde vorher losgefahren – aber nicht wirklich was Interessantes. Eher sogar anödend. Das meiste des Standardangebots kenne ich, weiß auch, dass mir von dem, was mir gefällt, kaum was passt. Hatte das Gefühl, die Stunde länger hat sich nicht gelohnt. Vielleicht ist die Zeit der Schuhlädenbesuche für mich ja vorbei und es geht mehr darum, anderes, was mich interessiert, auf hohen Schuhen zu erledigen. Also wie oben beschrieben Einkäufe, Forentreffen bzw. mit anderen Freunden. An letzterem arbeite ich weiterhin: es wissen schon einige, aber dann hochhackig aufzulaufen ist noch mal was anderes.
Zum Abschluß noch ein nettes Gespräch von vorgestern: Ich war auf dem Bahnhof meines Arbeitsortes schon vor Eintreffen des Zuges „umgestiegen“ und wartete nach der Zugfahrt in der U-Bahnstation. Ein Mann etwas älter als, noch etwas legerer als ich gekleidet guckte kurz nach rechts zu mir. Guckte noch einmal nach rechts. Guckte dann mit aufgerissenen Augen nach rechts mir ins Gesicht. Ich lächelte ihn freundlich an. Er: „Das gibt’s doch nicht!“ Ich: „Doch!“ mit entsprechender Handbewegung zu meinen Schuhen, immer noch freundlich lächelnd. Er. „Wie weit können Sie den damit laufen?“ Ich: „Oooch, schon ein paar Kilometer...“ Er: „Ich käme ja keine fünf Meter weit damit...“ Ich: „Na ja, üben ist schon nötig...“ Er: „Das habe ich ja noch nie gesehen. Klar, bei Frauen, aber Männern??“ Ich: „Ja, das sieht man kaum. Aber täuschen Sie sich nicht, es gibt einige, die dies Hobby haben, aber nur zu Hause in den eigenen vier Wänden damit herumlaufen.“ Er: „Na ja, bei der Jugend sieht man ja manches Verrücktes heute. Aber in unserem Alter??“ Ich (lachend): „Doch, auch!“ Er: „Das hätte ich ja nicht gedacht, das dass bei Männern in unserem Alter und Aussehen -“ er strich sich dabei über seinen ebenfalls graumelierten Bart, „auch vorkommt. Also, für mich wär das nichts!“ „Nee,“ meinte ich, „das muss ja auch nicht. Da darf sich jeder das aussuchen, was ihm Spaß macht.“ Er: „Ja, ja... Mann, Sie sind schon ein komischer Kauz! Na, denn viel Spaß damit!“ Ich: „Danke!“
Auch wenn es ohne trotzdem geht: Von solchen Menschen können wir doch mehr gebrauchen, die uns dabei Spaß wünschen?!
Und auch wieder nur positive Reaktionen erhalten! Und ja, manN glaubt es kaum, aber es gibt auch Männer in unserem Alter, die nicht der Meinung sind, schöne Schuhe sind nur was für Damen
Kommt drauf an, wo du "gehobenes Alter" ansetzt. Denn irgendwann im gehobenen, bzw. gehobeneren Alter muß Mann und auch Frau den High Heels Good Bye sagen, wenn der Bewegungsaparat nicht mehr mitspielt. Andererseits kennt meine Generation und die Generationen davor die Mütter und Tanten auf hohen Hacken und hat noch einen Bezug dazu. Die Jugend von heute hat ihre Mütter ja nur in Sneakern gesehen. Die haben Heels jetzt nicht so vor Augen gehabt, daß die die gar nicht vermissen. Ich kann jetzt bloß von mir sprechen, aber Absatzschuhe haben mich fasziniert, seit ich sie das erste Mal gesehen habe, zumindest seit ich mich daran erinnere. Ich wollte die, auch schon als Kind, immer haben.
Hört bitte auf, von mir zu erwarten, daß ich normal werde ! Wir wissen doch alle, daß das niemals geschehen wird !