Von meinem Dezember-Ausflug hatte ich ja meinen Wunsch mitgenommen, Fashion unlimited in Velen zu besuchen. Meine regelmäßigen Internetrecherchen zeigten allerdings, dass – obwohl das ganze Pleaser Programm – die SG 42 nur sehr spärlich vorhanden war. Da meine E-Mail Anfrage ein recht unbefriedigendes Ergebnis hatte (ich bekam gar keine Antwort), sparte ich mir die lange und komplizierte Anfahrt mit dem ÖPNV dorthin (auch wenn die stöckeltechnisch natürlich ihren Reiz hätte).
Als Alternative bot sich Düsseldorf an. Auch im Dezember hatte ich mich in der Kö „verirrt“, nun sollte es also der für Normalverbraucher bestimmte Teil der Innenstadt sein. Der Weg dorthin war nicht so ganz einfach. Stadtplan lesen können hat seine Vorteile, und hätte mir eine Extrafahrt mit der Straßenbahn erspart – aber auf den Babettes von Todzi lässt sich ja auch so etwas genießen. Die nächste Schwierigkeit: die Stadtväter scheinen Kopfsteinpflasterfans zu sein. Netterweise mit einigen „Stöckelspuren“ aus ebenen Steinplatten. Die habe ich dann mit gehöriger Sturheit verteidigt (neben meiner grundsätzlichen freundlichen und zuvorkommenden Natur bin ich ja auch Ostwestfale), wenn mir Leute in Flachtretern auf „meiner“ Spur entgegenkamen. Trotzdem ließen die Stadtväter nicht locker... Hauseinfahrten und und andere Pflastersteinbarrieren reihten sich munter aneinander, von größeren Plätzen ganz zu schweigen. Nun gut, irgendwann habe ich es eingesehen und mich im Ballenlauf auf den gemäßigteren Pflastern geübt. Irgendwann kam ich anscheinend im Kernbereich an, der hauptsächlich eben war.
Von den Schuhläden war es nicht so berauschend neu oder prickelnd. Zwei, drei unbekannte Läden, leider nur bis SG 40/41, schade. Dann fand ich zu meiner Freude de Kaufhof. Freude deshalb, weil ich am Abend vorher gelesen hatte, dass Topshop dort neu vertreten sei. Wegen Umbaumaßnahmen brauchte ich etwas, den Schuhbereich zu finden. Und auf den Irrwegen dann eine Begegnung der selteneren Art: ein Mann ungefähr in meinem Alter, unrasiert, wässrige Augen und mit Plastiktüte. Das finde er ja gut, dass ich diese Schuhe so in der Öffentlichkeit trage – was ich wohl meinte, was er in seiner Tüte hätte? Er öffnete sie: ein Tetrapack Weißwein und ein Paar hochhackige Pumps. Er traue sich nicht sie öffentlich zu tragen – aber wenn er mich jetzt so sehe... Da kriege er Mut, sie jetzt anzuziehen – und dann zu zweit durch Düsseldorf? Ich stimmte zu, und er wechselte – stilecht mit FSH – in die Pumps. Nach meinem Eindruck zwar etwas eng, aber er lief prima darauf. Lange Übung, schon seit seiner Pubertät habe er Interesse an hohen Absätzen. Irgendwann sei seine Frau nicht mehr damit klargekommen. Scheidung, Alleinsein, Alkohol... Wir gingen zunächst in die Schuhabteilung vom Kaufhof (obwohl er dort Hausverbot hatte), stellten aber übereinstimmend fest, dass das SG-42-Angebot nicht genug Absatzzentimeter bot. Trotzdem ging beim Anblick der vielen Pumps in den kleineren Größen ein Strahlen über sein Gesicht.
So langsam schaute ich zur Uhr, für einen weiteren Termin hatte ich mir zwei Verbindungen herausgesucht und so richtig in Stöckellaune wollte ich die frühere nehmen, um in Köln auch noch Station machen zu können. Allerdings hatte unsere Schuhläden-geleitete Tour uns doch etwas abseits geführt. Da war zwar eine U-Bahn Station, aber die Verbindung zum Hbf war mit Umsteigen – keine Chance mehr. Ich kam also wieder ans Tageslicht und meinte zu ihm, jetzt hätte ich wieder eine Stunde Zeit, da könnten wir dann auch ruhig noch die gemeinsame Tour fortsetzen. So ganz ruhig ließ mich die Ungewissheit über den Weg zum Hbf jedoch nicht, deshalb wechselte ich im nächsten Geschäft in die schnelleren Schuhe. Er blieb tapfer auf seinen Heels. Nach zehn Minuten Orientierung und Passanten nach dem Weg fragen war der Bahnhof dann plötzlich überraschend nahe. Mich beruhigte das, dafür wurde er unruhig – krankheitsbedingt, er brauchte Nachschub. Ein Kiosk lag am Wege, er ging hinein und ich nutzte die Zeit, wieder die hohen Schuhe anzuziehen. Kurzer Weg nur noch auf guten Plattenbürgersteigen – das wollte ich doch ausnutzen. Mittlerweile kam er wieder aus dem Laden, mit ihm allerdings auch Inhaber und weitere Kunden. Das Schauspiel von den zwei seltsamen Vögeln auf Highheels wollte sie sich nicht entgehen lassen. Wir kamen gut zum Bahnhof, wobei die Wirkung des Flachmanns einigermaßen heftig war. Meine vorsichtige Frage, ob er nicht langsam besser von seinen Stöckeln runterkäme, wischte er weg. Alkoholwirkung oder langjährige Erfahrung – k.A. Im Bahnhof selbst hatten wir nicht mehr so viel zusammen zu tun, er ließ seiner Redseligkeit bei jedem freien Lauf, der dazu bereit war. Von dem ersten Grüppchen mit christlicher Mission sah ich zu, dass ich Abstand gewann und checkte erst einmal mein Abfahrgleis. Als ich dann wieder nach ihm schaute, hatte er schon die nächsten beiden am Wickel. Ich nutzte die Zeit, bei Görtz17 hineinzuschauen, wie immer leider ohne wirklich in Versuchung geführt zu werden. Für ihn wäre das eh keine Option gewesen, vor den Hausverboten im Hbf hatte er Respekt. Danach war er dann bei einer Brudergruppe des ersten Missionsstandes gelandet, so dass ich mich schon mal in Richtung meines Gleises begab. Dann noch ein kurzer Abschied, bei dem er sich überschwänglich bedankte. Gut, die Alkoholwirkung war deutlich, trotzdem schien ihm das gemeinsame Stöckeln einen euphorischen Schub gegeben zu haben. Und auch, wie er mehrmals zwischendurch staunend bemerkte, dass keiner etwas Abfälliges sagte. Nun gut, meinte ich, gedacht haben werden sich einige ihr Teil, besonders bei unserem „Auftritt“... aber es ist schon richtig, wirklich passieren tut nicht viel. Außerdem relativierte ich seine Achtung vor meinem Mut mit Hinweis darauf, dass mein Wohnort 200 km entfernt sei...
Oben hatte ich noch einige Minuten auf den Zug zu warten, geht auf Heels auch. Im Zug merkte ich dann aber, dass diese paar Minuten im kalten Wind ruckzuck meine Füße durchkühlten, was die zweieinhalb Stunden Laufen nicht geschafft hatten. So ließ ichs denn für diesen Tag auch genug sein.
WOW! EIne beeindruckende Geschichte! Hut ab vor Deiner Nächstenliebe, mit diesem Menschen Deinen Nachmittag verbracht zu haben und ihm gleichsam den Mut gegeben hast, sich der anderen Leidenschaft hinzugeben!
Dennoch ist das eine sehr traurige Geschichte.
ZitatIrgendwann sei seine Frau nicht mehr damit klargekommen. Scheidung, Alleinsein, Alkohol.
Was haben einige hier wahrlich Glück, dass die Partnerin mitspielt! Wenn ich mir so vorstelle, das ging gar nicht ... die Beziehung würde daran zerbrechen... und ich würde am Ende auch mit ner Pulle Schnaps und einem Paar Pumps in der Tüte durchs Land ziehen... Und auch wenn er sich täglich die Lichter ausschießt, hat(te) er bislang nicht den Mut, hochhackig durch die Stadt zu ziehen?! Es ist doch wirklich erstaunlich und erschreckend, welch seelischer Druck da auf einigen von uns lastet. Da muss man nicht zuhause grün und blau geprügelt worden sein, vom Pfarrer missbraucht,... alleine dieses "das darf ein Junge/ Mann aber nicht!" ist teilweise so schwer drin und belastet Menschen so stark, dass sie daran zerbrechen, Partnerschaften zerbrechen,... und selbst ein paar Kannen Wein am Tag nicht ausreichen, um diese Schuldgefühle wegwischen zu können... heftig!
Toll, wenn dann irgendso ein verwöhntes Mädel von "Genderungerechtigkeit" faselt! DAS hier ist ein Paradebeispiel für GenderUNgerechtigkeit! Und nicht weil Heike M. keine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker machen durfte oder weil sich Ursula P. als Frau von Ampelmännchen ausgegrenzt fühlt.
Ich finde das echt traurig, davon zu hören.
Darum: ganz lieben Dank an 59er, einem Stöckel-Kollegen geholfen zu haben! Hoffen wir mal, dass er durch dieses Erlebnis noch viele schöne Tage auf hohen Absätzen erleben wird! Das Leben ist einfach viel zu kurz. Viel zu kurz, es sich zu verkneifen!
Zitat von Hannes73Hoffen wir mal, dass er durch dieses Erlebnis noch viele schöne Tage auf hohen Absätzen erleben wird!
Ja, das hoffe ich auch und freue mich, wenn ich ihm dazu verhelfen konnte.
Zitat von Hannes73DAS hier ist ein Paradebeispiel für GenderUNgerechtigkeit! Und nicht weil Heike M. [...]
Würde ich nicht gegeneinander ausspielen wollen (ohne damit persönliche Überempfindlichkeiten wie
Zitat von Hannes73oder weil sich Ursula P. als Frau von Ampelmännchen ausgegrenzt fühlt.
zu unterstützen). Was im beruflichen Bereich an Geschlechterdiskriminierung läuft finde ich genauso daneben wie wenn jemand uns wegen unseres Hobbys verurteilt. In beiden Feldern ist es eine lohnende und legitime Auseinandersetzung, sich für mehr persönliche Freiheit und Gleichberechtigung einzusetzen.
Zitat von Hannes73[...]und ihm gleichsam den Mut gegeben hast, sich der anderen Leidenschaft hinzugeben! [...]Das Leben ist einfach viel zu kurz. Viel zu kurz, es sich zu verkneifen!
Wohlbekannte Dauer-Baustellen..., das macht demütig und solche unterstützenden Stimmen immer wieder hilfreich und gut. Ein schönes Motto, die beiden letzten Sätze!
Ich finde es auch super toll von dir, dass du diesem Mann mal eine gewisse Zeit das Gefühl gegeben hast, nicht allein zu sein und auch nicht allein mit seinem "Spleen"!
Zitat von Hannes73Das Leben ist einfach viel zu kurz. Viel zu kurz, es sich zu verkneifen!
Das hat bei mir promt gewirkt...
Ich fuhr heute Nachmittag nach Osnabrück, um einen Jumbo Bag XXL von Privat abzuholen. Da stachelte mich die Sätze erst einmal dazu an, wieder die 17 brutto mitzunehmen. Im Zug kurz vor Osnabrück wollte ich "umschuhen" und dann zur End-Bushaltestelle und von dort in Flachen weiter. Während der Fahrt arbeiteten sie weiter: wieso eigentlich bei der Verkäuferin flach auflaufen??
Erst einmal beschäftigte mich allerdings das starke Fahrgastaufkommen im Zug - mir zu viel, um öffentlich Schuh und Strümpfe zu wechseln. Bei diesen Temperaturen kommen zweifach Nylonfüßlinge + dicke Wollstrümpfe an meine Füße. Nun gut, das musste also draußen auf dem Bahnsteig geschehen, als der Hauptteil der Fahrgäste weg war. Bis dahin war mir klar, dass ich diese Schuhe nun wenn möglich vom Bahnhof bis zum Bahnhof anhaben würde... der erste Teil bis zur Bushaltestelle klappte gut, einmal nach dem Weg gefragt und eine freundliche Antwort bekommen. Die stöckelbedingt verminderte Gehgeschwindigkeit hatte eher den Vorteil, dass ich nur fünf Minuten auf den Bus warten musste. Im Bus seitens der Fahrgäste ein reges Interesse, was sich aber nur in Blicken äußerte. Der zweite Teil des Fußweges bescherte mir ein paar Extrameter, weil ich die Wegeskizze nicht mehr genau genug in Erinnerung hatte. Aber auch da kam ein freundlicher Hundebesitzer, der mir weiterhalf.
Am Ziel geklingelt, die Frau öffnete und begrüßte mich wie üblich mit Blick ins Gesicht (NICHT auf die Füße - na so was??). Ich ging über die Hausflurfliesen zur Innenhaustür, selbst bis dahin kein Blick auf meine Schuhe. Erst als ich angesichts des Laminats vorsichtig fragte, ob dies meine Absätze aushielte, kam ein Mein Gott, Sie sind doch nicht in diesen Schuhen vom Bahnhof hierhin gelaufen? Doch, natürlich mit etwas Busfahrt dabei... Sie könne keine drei Schritte darin laufen. Na ja, ich liefe auch nicht erst seit gestern darin... und am Anfang seien sie auch nicht so hoch gewesen. Sie ließ mich in die Wohnung, ein total lockeres Gespräch über hohe Schuhe während sie mich in das Zimmer mit dem Liegesack führte. Ich schaute mir das gute Stück an und versuchte es mit mäßigem Erfolg mittels Gummizug und Gürtel auf eine einigermaßen handliche Form zu bringen. Dabei turnte ich munter auf hohen Hacken um den Liegesack herum, sie streifte noch zweimal kurz das Thema Absätze, bezahlt und das wars. Und jetzt wollen Sie mit diesen Schuhen zurück zum Bahnhof?? Ja, sicher! Na, denn einen guten Heimweg (ohne eine Spur Ironie), brachte mich zur Tür und eine locker-lachende Verabschiedung, so wie das ganze Gespräch verlaufen war.
Ich also den Sack geschultert und zurück. An der Bushaltestelle 9 Min. Wartezeit... und dann die Sch... Kälte. Deshalb wechselte ich schweren Herzens. Zwei Erkältungen in diesem jungen neuen Jahr sind echt genug. Ansonsten war ich so angefixt, dass ich Lust hatte, die Schuhe bis nach Hause hin anzubehalten... Eigentlich ja immer noch meine absatzlose Homezone (bis auf ein paar abendliche Spaziergänge), aber es ist deutlich was in Bewegung.
@ 59er Ist natürlich schon ein schöner Bericht über einen tollen Ausflug, insbesondere das lockere Gespräch, klasse! Aber ich stelle mir gerade vor, wie jeMANNd mit 17 cm hohen Absätzen und nem fetten Liegesack über den Schultern auf dem Weg zum Bahnhof ist... und muss schmunzeln Nix für ungut, aber sah bestimmt ganz besonders aus, oder? Respekt vor Deiner mutigen Entscheidung!
Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit (Erasmus von Rotterdam)
Das läuft ja prima bei dir....klasse Aktion von Dir mit dem Stöckel Alki.... Sind ja auch nur Menschen....und wenn er durch dich das Gefühl bekam wieder einer zu sein um so besser
Zitat von misterixAber ich stelle mir gerade vor, wie jeMANNd mit 17 cm hohen Absätzen und nem fetten Liegesack über den Schultern auf dem Weg zum Bahnhof ist... und muss schmunzeln Nix für ungut, aber sah bestimmt ganz besonders aus, oder?
Überhaupt keine Gegenrede. Gilt auch für mein allgemeines Winteroutfit mit Rucksack Wollmütze und ggfls. Wollschal. Da halte ich mein Aussehen selbst schon für deutlich verrückt. Entsprechende Reaktionen bei Mitmenschen kann/könnte deshalb durchaus verstehen. Und ich finde mich deshalb auch nicht in der hier verbreiteten Ansicht nicht wieder, Männer auf hohen Absätzen sei doch ganz normal. Selbst bei Euren z.T. echt schicken und stilvollen Outfits hat es für mich ab einer gewissen Absatzhöhe immer noch etwas Verrücktes (Cowboystiefel u.Ä. zähle ich nicht dazu). Meine Haltung dazu ist, nicht dieses Verrückte zu leugnen, sondern dazu zu stehen. Insofern unterschreibe ich gerne das Zitat in Deiner Signatur.
Zitat von olli müller...klasse Aktion von Dir mit dem Stöckel Alki.... Sind ja auch nur Menschen...
Schwieriges Thema, um es in ein paar Worten zu behandeln. Der Text in meiner Signatur stammt aus einer buddhistischen Meditationsübung er begleitet mich schon seit Jahren. Keine Verbrüderung mit jedem und zu jedem Preis, aber Achtung vor jedem einzelnen Menschen und seiner Biografie, seinen Entscheidungen letztlich seinem Schicksal. Und die Einsicht, dass wir in den tiefsten Motiven alle gleich sind, egal wie unterschiedlich wir sie im Konkreten auch ausfüllen. Das erleichtert es, ab und zu die Grenzen meiner Weltsicht (in der es sich ja gemütlich einrichten lässt) zu überschreiten und sich Menschen zu öffnen, deren Weltsicht und Lebensweise vollkommen anders ist.
Zitat von 59er Selbst bei Euren z.T. echt schicken und stilvollen Outfits hat es für mich ab einer gewissen Absatzhöhe immer noch etwas Verrücktes (Cowboystiefel u.Ä. zähle ich nicht dazu). Meine Haltung dazu ist, nicht dieses Verrückte zu leugnen, sondern dazu zu stehen.
Mit Gruß Ralf
Eben.
Durch unsere Looks "verrücken" wir das gängige Männerbild. Seien es High Heels oder weitergehende Outfits, wir sind ein Stück weit "verrückt" von der Norm.
Zitat von highheeloppaDurch unsere Looks "verrücken" wir das gängige Männerbild. Seien es High Heels oder weitergehende Outfits, wir sind ein Stück weit "verrückt" von der Norm.